31
Mai
2009

Einsam mit Tuba

Der Herr Kowalski hat bei uns im Dorf gelebt. In einer gepflegten, kleinen 1-Zimmer-Wohnung. Herr Kowalski hat Waldhorn gespielt. Im Musikverein. Genutzt hat es ihm wahrscheinlich nichts.

Manchmal habe ich ihn besucht. Unangekündigt, einfach geklingelt. Warum weiß ich nicht mehr. Wenn er da war, hat er mir etwas auf seinem Horn vorgeblasen und wahrscheinlich haben wir uns kurz unterhalten. Das ist aber 20 Jahre her.

Herr Kowalski war allein. Im Rückblick vermute ich, dass er tatsächlich Junggeselle war. Mit 55. Seine ordentliche und gut eingerichtete Wohnung spricht dafür, dass er dort schon lange gelebt hat; allein gelebt hat.

Zu Weihnachten und anderen Feiertagen habe ich immer eine 10-Mark-Sondermünze von ihm bekommen. Vielleicht sogar unpersönlich im Briefumschlag.
Dass er überhaupt etwas mit einem so krassen Außenseiterkind wie mir zu tun hatte, spricht nicht für ihn.

Gearbeitet hat er im Makrochemischen Institut. Vielleicht war er sogar Doktor. Einmal waren wir sonntags dort und haben natürlich das "flüssiger Stickstoff auf Boden und an Gummischlauch-Experiment" gemacht.

Herr Kowalski lebt immer noch. Selten sehe ich ihn in der Stadt oder beim Institut. Er sieht noch genauso aus wie damals. Vielleicht sind die Haare noch etwas weißer. Allein ist er auch immer noch. Ich bin immer froh, dass er mich nicht erkennt.

Und wenn sich alles so weiterentwickelt wie in den letzten 20 Jahren, so werde in 20 Jahren ich Herr Kowalski sein.
Nachtgezwitscher - 3. Juni, 00:19

Warum bist du eigentlich froh, dass er dich nicht erkennt?

Nielsson - 3. Juni, 08:28

Was würde passieren, wenn er mich erkennt?
Nachtgezwitscher - 3. Juni, 13:44

Vielleicht würde er sich freuen?

Jetzt kommentiere ich mal einen Satz, obwohl ich den ganzen Hintergrund nicht kenne. Kann also sein, dass der Kommentar nicht passt.
"Dass er überhaupt etwas mit so einem krassen Außenseiterkind wie mir zu tun hatte, spricht nicht für ihn." Außenseiter sind für mich keine Aussätzigen. Manchmal können sie etwas für ihr Außenseitertum, manchmal wollen sie es, manchmal auch nicht. Ich sehe in deiner Geschichte nicht, dass Herr Kowalski Kontakt zu einem Außenseiter hatte, sondern, dass er Kontakt zu einem kleinen Jungen hatte. Und dabei schien er nett zu sein.

Insgesamt liest sich die Geschichte für mich nämlich gar nicht so schlimm. Deshalb hatte mich dein letzter Satz verwundert. Herr Kowalski tut dem Leser natürlich etwas Leid. Aber so ganz weiß man nicht, ob er sich eine solche Existenz nicht doch aus freien Stücken und gern ausgesucht hat. Menschen, die gerne einsiedlerisch leben, gibt es schließlich auch.
Kinkerlitzch3n - 4. Juni, 12:15

Mir sagte mal jemand: Außenseiter zu sein, hat auch etwas mit Exklusivität zu tun...
Nielsson - 4. Juni, 13:37

Nett war er.

Mir ging es auch vor allem darum, dass mir diese Parallelität aufgefallen ist: Ich werde zu Herrn Kowalski. Und ich will das nicht.

Arroganz (=exklusiv??) wird mir ja gelegentlich nachgesagt. Wenn das stimmt, liegt das aber dann nicht daran, dass ich im stillen Kämmerlein sitze und mir sage: Jetzt werde ich arrogant und ich möchte bitte Außenseiter sein.
Nein, das ergibt sich einfach jede einzelne Minute des Tages. Haben will ich das aber nicht.
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